Die Hoffnung stirbt zuletzt

Hoyerswerdaer MDR-Fernsehshow “Wiedersehen macht Freude” endet nach sieben Jahren in der Lausitzhalle

Von Uwe Jordan

“Baby, mach lieber die Lichter aus, so taufrisch sehn wir nicht mehr aus/ und doch will ich heut mit dir schunkeln/ aber nur im Dunkeln...” Andreas Holm und Thomas Lück schwenken Nachtwächterlaternen auf der Bühne, wer will, kann Symbolgehalt in diese Szene philosophieren. Denn es ist die letzte Generalprobe für “Wiedersehen macht Freude”, nach sieben Jahren überaus erfolgreichem Daseins die letzte Wiedersehen-Sendung, die das MDR-Fernsehen zeigt. Abgesetzt trotz überdurchschnittlicher Einschaltquoten, trotz begeisterten Hoyerswerdaer Publikums, das von Anfang an dieser Show am 800-Plätze-Drehort Lausitzhalle derart die Treue hielt, dass es stets schon wenige Minuten nach der Ticket-Freigabe “Ausverkauft” hieß.

Das Rezept, die DDR-Stars wieder auf die Bühne zu bringen und dem Publikum ein Wiedersehen mit den Lieblingen seiner Jugend zu ermöglichen, erwies sich als so gut, dass aus der ursprünglich geplanten einen einzigen Sendung eine Reihe wurde, die sieben Jahre lang über jede Kritik erhaben war.

Nun soll Schluss sein. Der Sender führt ins Feld, man müsse sein Programm ja auch mal behutsam modernisieren. Insider sprechen von Geld, das der öffentlich-rechtliche Sender nicht mehr ausgeben wollte - und auf der Bühne, noch mehr bei den begeisterten Anhängern des Wiedersehens herrscht Frust pur.

Den überspielen zumindest die Künstler bei der Generalprobe. Wollen sie doch den Hoyerswerdaern und den Zuschauern am Bildschirm noch eine perfekte letzte Show zeigen. Dafür läuft die Generalprobe eigentlich viel zu gut: Ob Daniel Gerads “Butferfly” (gesungen von Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler), Michael Hansens Auftritt mit seinen “neuen Nancys” (sehr apart verpackt in Plüschraubtierkostüme mit viel Bein), ob das MDR-Fernsehballett oder Chris Wallasch als “Zigeunerbaron” - alles passt! Manches entwickelt eine seltsame Eigendynamik und Ironie, etwa, wenn Schlagerstudio-Moderator und Talente-Sucher Wallasch in genannter Johann-Strauß-Arie bekundet “Schon von Kindesbeinen galt mein Intresse Schweinen...”

Aber nein, lassen wir das es soll Frohsinn angesagt sein. Da passt Holger Biege eigentlich nicht hinein, der hinter dem Flügel eine seiner wunderschönen Balladen vorträgt - aber siehe da. Aus den Sesselreihen der Lausitzhalle (Edel-Fans haben es geschafft, schon zur Generalprobe Zutritt zu erlangen), ertönt Live-Beifall, der den aus der Konserve eingespielten weit übertrifft. Moderator Uwe Jensen versucht einen Scherz: Wiederholung ist die Mutter der Weisheit - sagen immer öfter auch die Programm-Chefs Bei “Wiedersehen” scheint Ihnen diese Eingebung abhanden gekommen zu sein.

Dann kommt einer auf die Bühne, für den ist Hoyerswerda ein besonderes Heimspiel, hat er doch hier als Lehrer-Aspirant ein Praktikum absolviert, hat er doch noch einen Onkel 85)in Hoyerswerda wohnen, der bei der richtigen Vorstellung im Publikum sitzen wird. Der gebürtige Zittauer Dieter Dornig, der seinen ersten Hit von 1987 singt. “Mutter, ich hab dir so lang nicht geschrieben€. Entdeckt hat ihn damals Horst Köppert in “Klock acht achtern Strom” - und auch der wird heute noch ein Shanty singen - unterstützt von einer E-Gitarre und Keyboard-Fraktion, wie sie schon vor 200 Jahren auf den großen Windjammern dazu gehörte.

Aber keine Sticheleien: Die auf der Bühne und vor der Bühne mögen sich, freuen sich auf Wiederentdecktes (Ivica Serfezi - “Meerblaue Augen wie die Adria”) und über Jochen Petersdorf, der diesmal kein Märchen liest, sondern einen bitteren Wiedersehen-Abgesang abhält. “Anders als bei vielen Freunden, die man durch Krankheit verlöre, träfe es bei Fernsehshows immer die Gesunden: Wer weiß, wann wir uns wiedersehn und wieder uns vereinen. Die Grunderkenntnis dieser Zeit: ‘s trifft immer nur die Kleinen€. Danach singt Uwe Jensen “Genau so muss es sein, so soll es bleiben ein ganzes Leben lang...” und meint bestimmt nicht Petersdorfs Fazit.

Großes Schlussbild - und endlich die Panne, die’s als gutes Omen für die Aufführung braucht - und in die man auch symbolisches hineininterpretieren könnte. Der letzte Abgang will nicht gelingen. Die Akteure kommen einfach nicht von der Bühne. Die schöne Helena (Vontrackova) fächelt Luft, Petersdorf tupft Schweiß, Siegfried Uhlenbrock klagt ein Gebläse ein, Joy Fleming gackert “... ein Daaankeschöön” ans Publikum, die Nancys drehen zunehmend missmutig ihre Plüschschwänze zum Radetzkymarsch.

Dann ist es doch vollbracht, alle dürfen in die Garderobe, selbst ich bin irgendwie geschafft. Aber für die Künstler kommt ja erst noch der “richtige” Auftritt. Ob sich der schwere Abgang der Generalprobe als prophetisch-wirksamer Protest erweist, der die MDR-Gewaltigen umstimmen kann? Nicht nur 800 Hoyerswerdaern wäre das ganz gewiss sehr recht.

Hoyerswerdaer Tageblatt